Cloppenburg, den 6.10.2022
Sehr geehrter Herr Minister Althusmann,
da wir uns große Sorgen machen um die Einhaltung der Klimaziele in Verbindung mit der dringend benötigten Mobilitätswende in Deutschland wenden wir uns an Sie mit der Bitte, unsere Anliegen auf der Verkehrsministerkonferenz am 12.-13.10.2022 mit den anderen Verkehrsministern zu berücksichtigen.
Die Lage
Seit Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes im Jahr 2016 hat die Bundesregierung die Klimaschutzgesetze verschärft, und das Bundesverfassungsgericht hat im März 2021 selbst diese Gesetze für teilweise verfassungswidrig erklärt und in seinem „Klima-Urteil“ Nachbesserungen gefordert.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 11. Januar dieses Jahres eine Eröffnungsbilanz Klimaschutz veröffentlicht. Diese weist für alle Sektoren zusätzlichen Handlungsbedarf für die Erreichung der Klimaschutzziele aus.
Nach der Überschreitung der zulässigen CO2-Höchstmengen im letzten Jahr ist auch für dieses Jahr bereits absehbar, dass die Überschreitung Ziele im Verkehrssektor noch gravierender ausfallen wird als 2021.
Deshalb müssen jetzt mehr und schneller wirkende Maßnahmen für die Einhaltung der Klimaziele umgesetzt werden.
Überprüfung der Bedarfspläne: falscher Fokus
Dabei ist eine im regelmäßigen Turnus durchgeführte Überprüfung der Bedarfspläne des Bundesverkehrswegeplanes eigentlich ein gutes Instrument, gleichzeitig die Mobilität in Deutschland auf das richtige Gleis zu setzen als auch den Klimaschutz voran zu bringen.
Allerdings geht bei der derzeitigen Überprüfung der Bedarfspläne mit dem Fokus auf Prognosen und Szenarien als Grundlage für die Verkehrswegeplanung der Weg in die falsche Richtung:
Die Prognosen werden fern der Realität hochgerechnet, um einen vermeintlichen Bedarf an Straßen zu begründen. Fatal dabei ist, dass es auf die konkreten Verkehrszahlen gar nicht ankommt. Sind Straßen erst einmal gebaut, werden sie schon allein deshalb befahren, weil es sie gibt. Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten.
Fatal ist ebenfalls, dass bei der anstehenden Bedarfsplanüberprüfung Natur- und Klimaschutz nicht ausreichend berücksichtigt werden. Alle Projekte müssen auf ihre Klimawirkungen überprüft werden.
Wir brauchen klare Ziele – Beispiele
Prognosen als Prämissen für die Verkehrswegeplanung zu definieren ist der falsche Weg. Die Prämissen müssen geändert werden: Wir brauchen klare Ziele, die sowohl die Verkehrswende (wie von der Bundesregierung beschlossen) als auch die Klimaschutzziele berücksichtigen.
Zum Beispiel hat Baden Württemberg klare Rahmenbedingungen und Ziele für eine nachhaltige Mobilität festgesetzt: Bis 2030 soll…
- eine Verdopplung des öffentlichen Verkehrs erreicht sein,
- jedes zweite Auto klimaneutral fahren,
- ein Fünftel weniger Kfz-Verkehr in Stadt und Land unterwegs sein,
- jede zweite Tonne klimaneutral fahren,
- jeder zweite Weg selbstaktiv zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden.
https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/politik-zukunft/nachhaltige-mobilitaet/klimaschutz-und-mobilitaet/rahmenbedingungen-und-ziele/
Als vorbildliches Beispiel sei hier des Weiteren das Zielbild 2040 des Österreichischen Mobilitätsmasterplans genannt, dem sich verschiedene Bereiche unterordnen müssen:
„Wir gestalten unser Leben und Wirtschaften so, dass zukünftige Generationen ein gutes Leben in einer intakten Umwelt führen können, ohne dabei von Kohle, Öl, Erdgas oder
Atomkraft abhängig zu sein.“ ….
https://www.bmk.gv.at/themen/mobilitaet/mobilitaetsmasterplan.html
Als wichtigste Säule in der „Pyramide einer klimaneutralen und nachhaltigen Mobilität“ steht die Vermeidung von Verkehr: „Der umweltfreundlichste Verkehr und Transport ist jener, der
ganz vermieden werden kann.“ Als zweite Säule steht die Verlagerung von Verkehr auf umweltfreundliche Verkehrs- und Transportmittel (z.B. Fahrrad, Bus, Bahn). Verkehr zu vermeiden kommt in deutschen Szenarien leider nicht vor.
Wenn unsere Klimaziele ernstgenommen werden, erübrigt es sich, hunderte Kilometer neue Autobahnen und Bundesfernstraßen zu bauen.
Das Geld und die Leute
Zudem ist nicht geklärt, wo das Geld für die über 1.300 in Deutschland geplanten Straßenbauprojekte herkommen soll: Die geplanten Baukosten sind nicht realistisch und
werden oft mit Hilfe von Rechentricks schöngerechnet. Die tatsächlichen Kosten sind oft um ein Mehrfaches höher.
Jahrzehntelang wurde zu wenig in den Erhalt von Schienen, Fernstraßen und Wasserstraßen investiert und auf Verschleiß gefahren. Hier muss zuerst investiert werden. Zudem ist nicht berücksichtigt, woher tatsächlich das Material und vor allem die Menschen herkommen sollen, nicht zuletzt auch die Maschinen- und Tiefbau-Kapazitäten, denn der Ausbau der Bahn, des ÖPNV, Rad- und Fußwegenetzes braucht ebenfalls viele Ressourcen.
Deshalb fordern wir
- die sofortige Aussetzung des Neu- und Ausbaus von Autobahnen und Bundesstraßen
- eine an den Anforderungen des Klimaschutzes orientierte mit Bürgerbeteiligung umgesetzte grundlegende Überprüfung der Bedarfspläne des Bundesverkehrswegeplans 2030
- neue Herangehensweisen für die Zieldefinition, für Vorhersagen und die Bereitstellung von Planungszahlen. Daher müssen neue Methoden der Erstellung von Verkehrsprognosen für die Bundesfernstraßenplanung entwickelt und in Kraft gesetzt werden.
- moderne Verkehrsprognosen, die nicht in Szenarien rechnen, sondern Entwicklungen und Maßnahmen beschreiben, die sich aus den aktuellen politischen Zielen des Klima- und Ressourcenschutzes ableiten
- Neue Zukunftsvorstellungen müssen auf das heute notwendige Entscheiden herunter gebrochen werden: die aktuelle Bedarfsplanüberprüfung darf nur auf modernen, innovativen Verkehrsprognosen basieren, die nicht heutige Zustände hochrechnen.
- Setzen Sie sich jetzt für eine nachhaltige Mobilität für die Zukunft ein. Und werden Sie Ihrer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen gerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Irmtraud Kannen
Vorsitzende des Vereins Verkehrswende Cloppenburg-Emsland
www.vce-verein.de
Hier das Schreiben als PDF-Download